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Richard Hamilton and Sigfried Giedion

Richard Hamilton and Sigfried Giedion

03.05.2017 bis 25.06.2017
Zürich, Graphische Sammlung ETH Zürich
Reaper. Richard Hamilton and Sigfried Giedion

In der Ausstellung «Reaper. Richard Hamilton und Sigfried Giedion» treffen zwei Protagonisten aus der Kunst- und Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts aufeinander: Der englische Künstler Richard Hamilton ist mit seiner frühen Graphik- Serie «Reaper» (dt. Getreidemäher, 1949) vertreten. Mit ihr reagiert er auf die Publikation «Mechanization Takes Command» (1948) von Sigfried Giedion. Darin beschreibt der Schweizer Kunsthistoriker die Mechanisierung des Lebensalltags. Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich stellt zum ersten Mal die vollständige «Reaper»-Serie ausgewählten Bildvorlagen Giedions gegenüber und arbeitet den Prozess von Giedions wissenschaftlicher Recherche zu Hamiltons künstlerischen Herangehensweise anschaulich heraus.

Betrachtet man heute das einflussreiche Buch «Mechanization Takes Command» des Kunsthistorikers Sigfried Giedion (1888–1968), so fällt sein unkonventioneller Aufbau und seine sorgfältige Bebilderung auf. Schon früh wurde konstatiert (und zuweilen bemängelt), dass Giedion in seiner Publikation, die der Geschichte der Mechanisierung und deren Auswirkung auf das alltägliche Leben gewidmet ist, keiner klar erkennbaren Systematik folge. Tatsächlich wechseln unterschiedliche Themen einander abrupt ab und auch die Quellen der Abbildungen sind höchst ungleich: Erfinderpatente stehen neben Kunstwerken und Skizzen neuer Gerätschaften neben Fotografien von Gebäuden. Diese collageartige Zusammenstellung verschiedener Elemente hat jedoch System. Giedion hat seine Abbildungen sorgfältig ausgewählt und platziert, sodass man von spezifischen Bildstrategien sprechen kann, die nun den Ausgangspunkt der Ausstellung in der Graphischen Sammlung bilden.

Diese Bilder und ihre Montage inspirierten Richard Hamilton (1922–2011) im Jahre 1949 zu einer Graphik-Serie. Er studierte damals noch an der Londoner Slade School und hatte bereits mit Radierungen experimentiert. Bei Giedion faszinierte ihn insbesondere das Kapitel über die Getreidemäher, auf das er sich in seiner «Reaper»-Serie bezieht. Dieses Interesse hängt wohl nicht zuletzt auch damit zusammen, dass er während des Zweiten Weltkrieges als Industriedesigner gearbeitet hatte und mit technischen Gerätschaften vertraut war. Die Abbildungen aus Giedions Buch waren für ihn allerdings nur Ausgangspunkt für eine freie künstlerische Interpretation, bei der er unterschiedliche druckgraphische Techniken ausprobierte. Eine möglichst naturnahe Darstellung oder gar Illustration war nicht sein Ziel. Vielmehr oszillieren seine «Variationen» – wie er die Serie in der ersten Ausstellung bei Gimpel Fils in London 1950 nannte – zwischen erkennbaren Elementen, wie etwa Räder oder Sitze, und abstrakten Formen.

Hamiltons «Reaper»-Serie, die auch den Beginn seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit Druckgraphik markiert, wird nun erstmals überhaupt dem Bildmaterial Giedions für sein «Reaper»-Kapitel in «Mechanization Takes Command» gegenübergestellt. Interessant an dieser Gegenüberstellung ist der Prozess von Giedions wissenschaftlicher Recherche zu Hamiltons künstlerischen Herangehensweise, die in der Ausstellung anschaulich gemacht wird. Dabei kann auf das umfangreiche Archivmaterial des gta Archivs zurückgegriffen werden, in dem sich Giedions Nachlass befindet. Die Ausstellung wird von einer Publikation begleitet, in der Essays von Esther Choi, Kevin Lotery, Spyros Papapetros, Fanny Singer, Hadas Steiner und Filine Wagner die verschiedenen Aspekte dieser Gegenüberstellung behandeln. Carson Chan hat die Anthologie konzipiert und eine Einführung dazu verfasst.

Die Ausstellung an der Schnittstelle von Kunst und Architektur bot die Gelegenheit, die Ausstellungsarchitektur der Graphischen Sammlung ETH Zürich neu zu konzipieren. So sind für die «Reaper»-Präsentation eigens neue Wände und Vitrinen gestaltet worden, wofür der renommierte Architekt und ETH-Professor Adam Caruso gewonnen werden konnte.

Das Doppeljubiläum 150 Jahre Graphische Sammlung und 50 Jahre Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich gibt Anlass zu dieser Kooperation mit gta Ausstellungen und gta Archiv. Die Kuratorinnen und Kuratoren Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich, Fredi Fischli und Niels Olsen, Leiter gta Ausstellungen, Filine Wagner, Mitarbeiterin gta Archiv sowie Carson Chan, Princeton, haben sowohl für Ausstellung wie Katalog eng zusammengearbeitet.

Unterstützt durch: Stiftung Sigfried Giedion, Stanley Thomas Johnson Stiftung und Dr. Georg und Josi Guggenheim Stiftung.